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Christian Lüdke, Dipl.Ing., Architekt, Erfurt

Liebe Freunde der Großen Orgel in St. Marien,

Ihr Anliegen kann man nur nachdrücklich unterstützen. Die bestehende Orgel ist ein Zeugnis des Gestaltungswillens der Nachkriegszeit von bundesweitem Rang. Die architektonische Komposition der Werke nimmt in raffinierter und sensibler Weise den Charakter des Raumes auf und gibt diesem an seinem Westende einen wirkungsmächtigen Schlußakkord. Besonders bemerkenswert ist die Vereinigung einfacher und grundlegender Formen mit wohlabgewogenen Proportionen. Mit diesem Entwurf huldigte Kemper dem architektonischen Gestaltungswillen der Gotik. Es gelang ihm, diesen in die Neuzeit zu übertragen sowie den Raum im Instrument fortzuschreiben und zu ergänzen, ohne dabei die Entstehungszeit zu veleugnen. Die Kemper-Orgel ist ohne Frage ein gestalterisches Meisterwerk. Ihre Schnörkellosigkeit strahlt hanseatische Vornehmheit aus. Sie drängt sich nicht lärmend und dominant in den Vordergrund, sondern bleibt, bei aller Prägnanz in der Gestaltung, ein dienendes Element, das sich gegenüber dem großartigen Kirchenraum zurückhält und ihn in seiner Würde dadurch noch deutlicher erfahrbar werden läßt. Daneben ist sie, wie schon bemerkt, ein besonders gelungenes Beispiel des Gestaltungswillens der Nachkriegszeit.

In ihrer Weise hat sie ein Alleinstellungsmerkmal mit bundesweiter Strahlkraft, und schon aus diesem Grunde dürfte ihr der Denkmalcharakter wohl nicht abzusprechen sein.

Es sollten sich alle mit dem Thema Befassten ernsthaft fragen, ob es wirklich in die Zeit paßt, für einen hohen Betrag ein Instrument abbrechen zu lassen, um es durch einen Neubau zu ersetzen, wenn es sich vermeiden läßt.

Insbesondere die kirchlichen Auftraggeber sind hier aufgefordert, den in offiziellen Verlautbarungen gerne strapazierten Begriff der Nachhaltigkeit einmal zu nützlicher Anwendung zu bringen.

Und zum Schluß eine Aufforderung zum Gedankenexperiment: Wie sähen unsere Kirchen heute wohl aus, wenn auch früher im Wechsel halber Jahrhunderte das Bestehende immer wieder dem Zeitgeschmack geopfert worden wäre. Es würde keine Altäre von Bernt Notker mehr geben. Keine Madonnen von Riemenschneider, alle Barockleuchter wären längst eingeschmolzen, alle Tafelgemälde abgehängt worden. Wir kennen dies aus den Zeit der Purifizierung des 19. und 20. Jahrhunderts, und heute wird es lebhaft bedauert. Warum pflegt ausgerechnet die Kirche, die doch so in ihrer Vergangenheit wurzelt, eine solche Geschichtsvergessenheit? Oder ist hier etwa Geschichtsklitterung im Spiel? Leisten Sie Widerstand und stemmen Sie sich gegen Banausentum und Unverstand!            

Meine Unterstützung haben Sie!

 

 

Christoph Bremer, Saarbrücken

 

Es ist in unserer Zeit „Mode“ geworden, große Orgeln, erbaut nach dem zweiten Weltkrieg im Stil der sogenannten „Orgelbewegung“, meistens in großen Haupt- oder Zentralkirchen, durch Orgelneubauten zu ersetzen.

 Als der Orgelbau der „Orgelbewegung“ aktuell war, wurden die Orgeln der sogenannten „romantischen“ Epoche gebrandmarkt. Und als dieser Stil im Trend war, wurden die Orgeln der „barocken“ Zeit“ und älter entfernt.

 Die nicht zerstörten Instrumente der Romantik (pneumatisch und elektropneumatisch) sind in ihrem Bestand mittlerweile „rehabilitiert“ und restauriert und in Fällen, wo das Instrument verändert wurde, auch von der technischen Seite her mit großem Aufwand rekonstruiert worden.

 Nun trifft diese „Vernichtungswut“ jene Orgeln, die in den Jahren von ca. 1945 bis 1980 erbaut wurden. Zu allen Zeiten wurden und werden Orgeln dann als nicht erhaltenswert eingestuft, wenn sie angeblich schlecht verarbeitet wurden, aus minderwertigen Materialien bestehen, musikalisch schlecht konzipiert und mit Defekten behaftet sind. Dies alles und das Ablehnen des Konzeptes des vorhandenen Instrumentes führen dann dazu, dass ein neues Instrument gewünscht wird. Die Tatsache, dass nach 50- jährigen Gebrauch eine Orgel Verschleißerscheinungen aufweist, müsste eigentlich jedem, der mit dem Instrument Orgel zu tun hat, einleuchten. Für mich ist eine Orgel aus einer bestimmten Zeit bzw. Epoche ein Zeugnis des Lebens und Denkens der Menschen, die damals gelebt und musikalisch gewirkt haben. Dazu zähle ich auch die Planer und Erbauer eines solchen Instrumentes. Warum wird nicht an die Möglichkeit gedacht, alles, was im vorhandenen Instrument vielleicht nicht (oder nicht mehr) so gut ist, im Rahmen eine „Reorganisation“ zu korrigieren: Z.B. Überarbeiten schadhafter Teile in allen Bereichen, vorsichtiger Austausch von (Zungen-) Registern oder Pfeifen (Prospekt?), überarbeiten der Intonation und der Technik (Trakturen), aber alles unter Berücksichtigung der ursprünglichen Konzeption des Instrumentes?

Es gibt mittlerweile genügend Beispiele solcher Arbeiten an anderenOrgeln, die - genauso wie die Orgel in St. Marien - vor einiger Zeit als Instrumente in Frage gestellt  und mittlerweile auf diese Weise gerettet wurden.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn diese Orgel in Ihrem Bestand, der Vielfalt einer „Orgellandschaft“ Deutschlands wegen und als Denkmal einer mittlerweile abgeschlossenen musikalischen Epoche erhalten werden könnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Hans-Werner Coordes, Lemgo (W.)


Ich habe von den Plänen und Ihrer Initiative gelesen. Einen Abriss und Neubau in St.Marien erteile auch ich eine klare Absage!
Die Kemper-Orgel ist ein stadt- und orgelgeschichtliches Dokument
Lübecks. Und doch erst 50 Jahre alt. Sie zu entfernen kommt ebenfalls
einer Missachtung der großen Leistungen von Emanuel Kemper und   seinen Mitarbeitern gleich.

Nicht nur ich war und bin vom Klang und Raum stets begeistert, entweder auf Klangträgern oder live zu den legendären Abendmusiken.

Diese Orgel als Zeichen der Wiederauferstehung aus den Trümmern des  2. Weltkrieges muss unbedingt der Nachwelt erhalten bleiben!
Über Geschmack lässt sich auch beim Orgelklang heftig streiten. Klar ist
aber, dass auch die Marienorgel ihr Klangpotenzial hat. Wie Sie richtig
schreiben, muss dieses Werk kathedralmäßig gespielt werden.
Und wo finden wir ein Tutti, dass nicht in den Ohren wehtut?

Ich erinnere mich noch gut an die GdO-Tagung 1978, wo Herr Stender
als junger Organist und Nachfolger Walter Krafts uns die Orgel vor-geführt hat. Ein Erlebnis, das bis heute nachwirkt.

Somit kann ich nur wünschen, dass alles für den Erhalt des Werkes getan wird, dass hier nicht etwas überhastet oder trendgesteuert ge-
schieht, wovon man später sagt: Schade.

 

 

Pfarrer Clemens Matthias Wunderle, Laubach

 

Auf diesem Wege möchte ich zum Ausdruck bringen, dass mich die

Planungen des Abrisses der großen Kemper-Orgel betrüben.

Wie schnell werden Instrumente aus dieser Zeit beseitigt, die doch  

damals geprüft, für ausgezeichnet befunden und einwandfrei abge-

nommen worden sind. 

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man ein so großes Instrument,

das für seine Zeit und bis heute einzigartig ist, aufgeben kann.

Mein Vertrauen in Gutachten ist grundsätzlich nicht grenzenlos,    

sondern ausgesprochen kritisch.

Der Organist sollte sich der Orgel anpassen und nicht umgekehrt!

Ja, heute in der romantisch-symphonischen Welle muss alles verdunkelt

werden. Manche Organisten haben schon "Glücksgefühle", wenn auf den

Registerschaltern französische Namen stehen. Andere fühlen sich

beleidigt, wenn unter den Registern 1 1/7´ oder Zimbel zu finden

sind.

Eine solche "Orgelpersönlichkeit" wie die Kemper-Orgel braucht auch

ein menschliches Pendant. Es wäre schön, wenn es sich finden ließe.

Wer weiß... vielleicht ist im Falle des Abrisses das nachfolgend neue

Instrument in 50 Jahren auch wieder "unbrauchbar",

weil es wiederum eine "barocke" Welle gibt...